Regionalliga Nordost

FC Rot-Weiß Erfurt: Kampf gegen die Schwerkraft des Scheiterns

Sportdirektor Franz Gerber. Foto/Montage: H. Elias

Der FC Rot-Weiß Erfurt kämpft weiterhin an mehreren Fronten, wobei die jüngste Pressekonferenz vor dem Regionalligaspiel gegen BSG Chemie Leipzig einen tiefen Einblick in die strukturellen und sportlichen Probleme des Traditionsvereins bot. Besonders die Aussagen von Sportdirektor Franz Gerber verdeutlichen die anhaltenden Schwierigkeiten, die sowohl wirtschaftlicher als auch sportlicher Natur sind. Diese Probleme greifen ineinander und beeinflussen die Handlungsfähigkeit des Clubs.

Die wirtschaftliche Ausgangslage

Gerber betonte in seinen Ausführungen mehrfach die wirtschaftlichen Zwänge, denen der Verein unterliegt. Die Insolvenz, die den Verein in den letzten Jahren geprägt hat, wirkt bis heute nach. „Wir haben aus der Vergangenheit, aus der Insolvenz heraus, unsere wirtschaftlichen Auflagen oder Schwierigkeiten“, erklärte er und machte deutlich, dass der Verein noch weit davon entfernt ist, auf stabilen finanziellen Beinen zu stehen. Der größte Hemmschuh hierbei: das Stadion. Während die Miete des Steigerwaldstadions als „in Ordnung“ bezeichnet wird, lasten vor allem die Nebenkosten schwer auf dem Verein. Gerber bezifferte die jährlichen Kosten des Stadions auf etwa eine Million Euro, was den Etat des Vereins erheblich belastet. Dieser Faktor behindert nicht nur die sportliche Entwicklung, sondern schränkt auch die Handlungsspielräume in der Personalpolitik massiv ein. „Wenn wir normale Kosten von 350.000 Euro hätten, könnten wir 650.000 Euro mehr in die Mannschaft investieren“, so Gerber. Diese Summe würde den Etat fast verdoppeln und es dem Verein ermöglichen, gestandene und qualitativ hochwertige Spieler zu verpflichten, die der jungen und unerfahrenen Mannschaft Stabilität verleihen könnten.

Das Problem der Mannschaftszusammensetzung

Rot-Weiß Erfurt sieht sich in der misslichen Lage, jedes Jahr aufs Neue eine Mannschaft aus jungen und unerfahrenen Spielern zusammenstellen zu müssen. Gerber beschrieb die Situation fast resignativ: „Wir sind gezwungen, auf junge Spieler und Oberligaspieler zurückzugreifen.“ Spieler, die in ihren vorherigen Vereinen keine Stammspieler waren, sollen in Erfurt den Sprung schaffen. Dass dies nicht ohne Zeit und Geduld funktioniert, scheint vielen Kritikern des Vereins entgangen zu sein. Gerber machte deutlich, dass es Zeit brauche, um diese Spieler zu entwickeln. Doch gerade diese Zeit scheint in einem auf Erfolg ausgerichteten Fußballbetrieb oft nicht gewährt zu werden.

Der Sportdirektor betonte dabei auch, dass die Verletzungsmisere, die den Verein seit Jahren begleitet, die ohnehin schon schwierige Situation zusätzlich erschwert. Stammspieler fallen regelmäßig aus, was die ohnehin begrenzten Möglichkeiten weiter einschränkt. „Wir können Stammspieler in der Vielzahl nicht ersetzen“, so Gerber. Diese Personalprobleme führten in den letzten Jahren dazu, dass die Ergebnisse häufig nicht den Erwartungen entsprachen.

Die Entwicklung von Spielern als zweischneidiges Schwert

Eine der wenigen positiven Entwicklungen, die Gerber in der Pressekonferenz hervorhob, ist die erfolgreiche Ausbildung von Spielern. Diese schaffen oft den Sprung in höhere Ligen oder zu größeren Vereinen, was für den Verein Anerkennung bedeutet. Doch dieses vermeintliche Erfolgsmodell birgt ein Problem: „Wir entwickeln gute Spieler, die dann Begehrlichkeiten wecken“, so Gerber. Der FC Rot-Weiß Erfurt befindet sich somit in einem ständigen Kreislauf: Die besten Spieler werden entwickelt, um dann den Verein zu verlassen, sobald größere finanzielle Angebote von anderen Clubs kommen. Dies verhindert eine nachhaltige Mannschaftsplanung und zwingt den Verein, jedes Jahr erneut bei Null zu beginnen. Der wirtschaftliche Zwang, Spieler zu verkaufen, macht es nahezu unmöglich, eine Mannschaft über Jahre hinweg aufzubauen und kontinuierlich zu verbessern.

Die Kritik am Trainer – eine Stellvertreterdebatte?

Die Kritik an Trainer Fabian Gerber, die in den letzten Wochen immer lauter wurde, scheint für Franz Gerber mehr eine indirekte Kritik an seiner eigenen Person zu sein. Er äußerte die Vermutung, dass sich einige Kritiker gegen ihn persönlich richten und den Trainer als Stellvertreter für ihre Unzufriedenheit sehen. „Die Kritik, die auf den Trainer kommt, gilt eigentlich mir“, sagte Gerber offen. Er sieht darin eine Reaktion von Personen, die er während seiner Amtszeit aus dem Verein entfernen musste, weil sie sich zu sehr in eigene Interessen verstrickt hatten. Solche internen Machtkämpfe sind in Traditionsvereinen keine Seltenheit, doch sie erschweren die ohnehin schon komplizierte Lage des Clubs zusätzlich.

Gerber verteidigte den Trainer eindringlich: „Fabian hat den Verein aus der Oberliga geführt und zweimal die Klasse gehalten.“ Er verweist darauf, dass der Trainer mit den zur Verfügung stehenden Mitteln das Bestmögliche erreicht habe. Die Erwartungshaltung der Fans und einiger Vereinsmitglieder, die einen schnellen sportlichen Aufstieg fordern, steht jedoch in einem krassen Widerspruch zu den realen wirtschaftlichen Bedingungen des Clubs.

Fehlende Vision oder pragmatischer Realismus?

Ein weiterer Kritikpunkt, der in der Pressekonferenz angesprochen wurde, ist das angeblich fehlende sportliche Konzept des Vereins. Einige Stimmen werfen dem Verein vor, keine klare Zielvorstellung zu haben und lediglich von Jahr zu Jahr zu improvisieren. Gerber widerspricht dem entschieden. Er betonte, dass der Verein seit seiner Übernahme in einer desaströsen Lage war und nur Schritt für Schritt wieder aufgebaut werden konnte. „Das Image lag am Boden“, erinnerte er und verwies auf die positive Entwicklung in den letzten Jahren, insbesondere was die wachsenden Zuschauerzahlen und das gestiegene Interesse an Rot-Weiß Erfurt betrifft.

Gerber erklärte, dass der Verein nach wie vor eine solide Basis schaffen müsse, bevor größere sportliche Erfolge realistisch seien. „Wir müssen kleine Schritte gehen“, sagte er und verwies auf die wirtschaftlichen Zwänge, die den Verein in seiner sportlichen Entwicklung bremsen. Der Vorwurf, der Verein habe keine klare sportliche Vision, ist also aus der Sicht des Sportdirektors unangebracht. Vielmehr geht es darum, mit den gegebenen Mitteln das Bestmögliche zu erreichen – auch wenn dies bedeutet, dass der Verein kurzfristig keine Spitzenteam zusammenstellen kann.

Ein Verein im Dauerkampf

Der FC Rot-Weiß Erfurt steckt in einem Teufelskreis aus wirtschaftlichen Problemen, verletzungsbedingten Ausfällen und einer dadurch bedingten sportlichen Stagnation. Franz Gerber machte auf der Pressekonferenz deutlich, dass die sportlichen Schwierigkeiten des Vereins eng mit den finanziellen Zwängen verknüpft sind. Solange der Verein jährlich Millionenbeträge für das Stadion aufbringen muss und gezwungen ist, seine besten Spieler zu verkaufen, wird es schwer sein, nachhaltig sportlichen Erfolg zu erzielen. Die Kritik am Trainer erscheint in diesem Kontext als Symptom einer tieferliegenden strukturellen Problematik, die nicht allein durch personelle Veränderungen zu lösen ist.

Gerbers Aussagen lassen keinen Zweifel daran, dass der Verein weiterhin hart kämpfen muss – sowohl auf dem Platz als auch abseits davon. Trotz aller Widrigkeiten bleibt der Sportdirektor optimistisch: „Wir haben vieles auf den Weg gebracht und sind unseren Verpflichtungen nachgekommen.“ Doch die Frage bleibt, ob diese kleinen Schritte ausreichen werden, um Rot-Weiß Erfurt langfristig wieder in höhere Fußball-Ligen zu führen. Der Verein braucht mehr als nur Geduld – er braucht die finanziellen Mittel, um die sportliche Vision, die Gerber skizziert, auch in die Realität umzusetzen.

Text: Holger Elias

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